„Draußen ist anders“ – Das war kein Werbeslogan einer naturnahen Partei zur Bundestagswahl 2017, sondern der erste Satz einer Folie, die acht Freiwilligen an der Vorbesprechung zum Grundkurs Fels drinnen im Seminarraum digital kredenzt wurde. Nun, was konnte man sich darunter vorstellen? Alle Teilnehmer hatten schon einmal irgendwas mit Klettern zu tun. Die Reichweite ging von nur lesen übers Felsklettern im Panorama bis hin zu regelmäßig ein Feierabendseil in der Kletterhalle ziehen. Doch gemeinsam wollte man unter Anleitung von Sebastian und Phillip nun erste Felsversuche in freier Wildbahn wagen.
Ziel war es, das Einrichten einer Topropestelle zu erlernen und das Abseilen im Fels nach diesem Wochenende zu beherrschen. Das alles Ende September an einem sonnenreichen Herbstwochenende. Kennenlernen, Materialüberblick und Knotenkenntnis waren bei der Vorbesprechung die zentralen Themen. Wild wurden kurze Seilstücke zu den wichtigsten Kletterknoten geschwungen und eifrig über Sicherungsgeräte diskutiert. Wer hat was und wer sichert wie? Welche Vorteile hat der doppelte Bulinknoten und darf man auch den Achterknoten nehmen? Ist der Mastwurf ein vom Sturm umgeknickter Segelmast oder doch ein Knoten zur Selbstsicherung? Ist GriGri eine spezielle Vogelart auf die wir beim Klettern achten müssen oder doch ein Sicherungshalbautomat? Langsam kam Licht in unser Kletterleben. Am Fels zu kraxeln hat anscheinend doch mehr Facetten als man anfangs dachte. Naturschutz und Klettern berühren sich in dieser Art des Kletterns sehr und erfordern einen weit gefassten Blickwickel. So checkten wir erstmal, ob unsere Kletterziele auch wirklich für uns zu dieser Jahreszeit zugelassen sind. Oft brüten nämlich Vögel in den hiesigen Felswänden, aber auch aus anderen Gründen kann ein Fels für Kletterer gesperrt sein. Mit den Knotenhausaufgaben für die Couch daheim verließen wir die Vorbesprechung und trafen uns dann samstags zum ersten Kurstag. Ziel war das Battert-Gebiet nahe Baden-Baden, von dem zumindest jeder, der zwischen Bodensee und Baden mal ein Seil in der Hand hatte, gehört haben dürfte.
Anfahrt. Zustieg. Anseilen. Loslegen. Kein Schnickschnack. Wie der Hund das neue Zuhause beschnüffelt durften wir in Zweier-Teams gleich an der Felswand schnuppern. Das bei 26 Meter Wandhöhe eine andere Seildehnung vorliegt, spürte man gleich bei den ersten Metern, wenn man sich ins Seil setzte. Trunkenbold und Siebenschläfer. Schöne Anfängerrouten zum Kennenlernen. Wie das so ist mit Schönwettertagen, verging der Vormittag sehr schnell an der Hohen Wand des Battertfelsens. Ziel des Nachmittags war es dann, in das Abseilen eingeführt zu werden. Der Umgang mit den Sicherungsgeräten und das Erlernen des Hintersicherns mit einem Prusikknoten wurde zunächst oben auf dem Wanderweg in der Horizontalen von Baum zu Baum geübt - zur Belustigung einiger Wander, was wir aber mit einem Schmunzeln hinnahmen. Aber die Sicherheit und der richtige Umgang mit Gerät und naturgegebenen Besonderheiten (Felskanten, Vorsprünge, ausgesetzte Abseilstellen) sind immer oberstes Gebot und erlauben keinen Platz für Fehler.
Schließlich war das Tagesziel, eine große Felswand selbstständig abzuseilen. Da muss alles sitzen. Nachdem die Baden-Badener Höhensonne nachließ und die Dämmerung einsetzte, packten wir alles zusammen und schlichen müde hinab zu den Autos und unsere Mägen verlangten Pizza. Diese Forderung wurde uns nach langer Suche erst in Karlsruhe gegönnt. Ab ins Bett. Morgen ist wieder 8.30 Uhr Treffpunkt und Abfahrt in die Pfalz.
Durch die sonnige Morgenherbstluft, mit teilweise noch tiefen Nebelschwaden in den Tälern, querten wir den Rhein in den Autos Richtung Westen. Heute mussten wir den Weg zum Fels selbst finden. Unser Kursleiterduo gab jedem Auto nur eine Anfahrtsskizze. Irgendwann sollen wir ja auch mal selbst sogenannte Topos und Anfahrtsskizzen deuten können. So erreichten wir die Rumbachplatte, auch Kastellfels genannt, erst nach einem kurzen Umweg. Aber Umwege erhöhen ja bekanntlich die Ortskenntnis.
Nach dem Materialcheck und einer ersten Wandbesichtigung ging es in neuen Teams darum, das gestern Gelernte anzuwenden. Wir richteten uns unsere Topropestellen ein und kraxelten los. Der Kletterhund in uns jaulte erstmal beim Betapsen der ersten Klettermeter. Der Pfälzer Sandstein ist doch etwas anders als der badische Porphyrkonglomerat. Viel mehr rutschiges und plattiges Gelände, was einiges an Klettertechnik erforderte. Nach einer Mittagspause in der pfälzer Mittagssonne gingen wir nochmal tiefer in die aktive Analyse der Topos rein und verglichen Toposkizzen aus den Kletterführern und die Realität. Krönender Abschluss war das Bauen eines 35 Meter überhängenden Abseilstandes vom Dach der Rumbachplatte. Eine ganz schöne Herausforderung für den Kopf, seinen Hintern über diese Kante zu schwingen. Wer das nicht jeden Sonntag macht, musste schon Überwindung mitbringen. Die Kursbeschreibung hatte daher recht: „Vorerfahrung wünschenswert“. Als blutiger Anfänger wäre der Kursinhalt einfach eine Spur zu viel und ein Grundstock an Klettererfahrung sollte man schon mitbringen für erste Felserfahrungen. Auch dieser Wahlsonntag rutschte schnell durch den Tuber und nachdem wir alle gelernt hatten, wie man lässig ein Seil im Trenkerschwung aufnahm, ging es zurück an die Autos. Erste Prognosen der Bundestagswahl an Ulis Bus hören. Sachen verstauen. Positiv gebraucht und geschafft sein. Deutschlandfunk hören. Durch malerische Pfälzer Dörfer heimfahren. Abendessen in dem neuen Restaurant neben der Kletterhalle. Ein Wochenende mit viel Fels, Frischluft und Sonne steckt allen in den Knochen. Zufriedenheit macht sich breit, als der Kletterrucksack wieder daheim im Flur steht.
Die Felsturner und Turnerinnen Eva, Uli, Bea, Tilmann, Matthias, Patricia, Charlotte und Florian schreiben ein ordentliches „Danke“ an Sebastian und Phillip in ihr Klettertagebuch. Der nächste Ausflug in die Pfalz oder in den Nordschwarzwald findet nicht nur mit Kanisterchen für den neuen Wein im Kofferraum statt, sondern auch mit Seil und Gurt. Und übrigens: „Draußen ist wirklich anders – aber sehr schön“.
Florian Stritzelberger