Safebiner und HMS, Schrauber und baugleiche Schnapper, Länge und Gewicht von Eisschrauben, Stollplatten und Kipphebel von Steigeisen, Dicke von Prusikschnüren, Länge von Bandschlingen, Tuber mit Platte, leichte Hochtourengurte oder bequeme Sportklettergurte – das Schöne bei Skihochtourenkursen ist, dass man sich so herrlich mit dem ausgefeilten Material beschäftigen kann.
Bereits auf den beiden Theorieabenden vor dem Kurs in den Bergen haben wir gelernt, dass es zumeist die einfachen Dinge sind, die uns in Schwierigkeiten bringen. Wir, das waren letztlich Gundula und Hendrik, Torsten, Axel und Bernhard (S.) – freundlich angeleitet und geduldig geführt von Bernie (Bernhard G.) und Florian. Verletzungs- bzw. krankheitsbedingt sind leider Stefan und Christian noch in der Nacht vor der Abfahrt ausgefallen, so dass Flo im Stundentakt Reduzierungsmeldungen an den Hüttenwirt durchgeben musste.
Schon mit kurzen Praxis-Tests zu Prusik und Loser Rolle an den Kletterwänden des Ausbildungszentrums waren unseren teilweise fassungslosen Trainern erste Einblicke in unser bislang unentdecktes Skihochtourenpotential möglich. Völlig neue Diszipline wie „Kopfüber-Prusiken“ und „Knotensalat“ gaben hier einen Vorgeschmack auf die kommenden Spiele in Eis und Schnee.
Fährt man dann um 5 Uhr morgens in Karlsruhe Richtung Stubaier Alpen los, nicht ohne vorher möglichst wenig geschlafen zu haben, meistert den 3-stündigen Zustieg zur Franz-Senn-Hütte mit längeren Tragepassagen im Sonnenhang hinter der Oberissalm seilbepackt, kann man schon am Nachmittag feststellen, dass es nicht am handverlesenen Material mangelt, sondern oft schlicht an den eigenen Kräften, um mittels Gardaklemme und Münchhausentechnik den Spaltenrand zu überwinden.
Durch geschickte Auswahl der Übungsstelle vis-a-vis der Sonnenterrasse und mittels aufmunternder Worte unser Fachübungsleiter, gelang es dann doch noch allen Teilnehmern Hütte und Lager für den Abend zu erreichen. Trotz Trubel auf der vollen Ausbildungshütte und gerne genommener Ablenkung durch leckeres Abendessen gelang es der Gruppe die Innere Sommerwand als Tour für den nächsten Tag zu planen.
Auf der rd. 4,5 stündigen Gletschertour konnten wir dann am nächsten Tag die Freuden von Spitzkehren am Seil in 2 Seilschaften erleben. Diese gesellige Gruppenakrobatik mit 975 Hm wurde zuweilen durch ein lustiges Gipfelraten unterbrochen. Dank sachdienlicher Hinweise von Bernie erreichten wir das Skidepot an der Kräulscharte über den gut eingeschneiten Sommerwandferner. Hier ließ sich gekonnt feststellen, dass zu Hause nicht gut eingestellte Steigeisen zu Suchspielen im Schnee und kalten Fingern am Berg führen.
Im Aufstieg zum 3.122m hoch gelegenen Gipfelkreuz erwies es sich als großer Vorteil, dass mit Torsten ein ausgewiesener Kletterer Geländerseile für uns legen konnte. So war es unseren beiden Fachübungsleitern möglich auch die nicht so Geübten an die Grenze ihres Wohlfühlbereichs und zum Gipfelglück zu führen. Und aufgeschlitzte Skihosen sind ja oft auch nur ein Zeichen für gut geschärfte Steigeisen.
Mit Pickel, Degengriff und Bandschlingen-Klettersteigset waren wir alsbald wieder sicher zurück aus luftiger Höhe. Die Stürze in Folge der rasch wechselnden Abfahrtsbedingungen talwärts blieben fast folgenlos und reduzierten die Gruppenstärke des nächsten Tages nur um eins.
Und weil so bewährt und beliebt gab es zur Belohnung von unseren Trainern vor dem Einkehrschwung noch eine kleine Trainingseinheit zur Spaltenbergetechnik – wieder direkt mit Blick auf Apfelstrudel und Weißbier auf der Terrasse. Mit intensivem Materialverwirrspiel beim Bau von Ankern und Loser Rolle, konnte jeder der Teilnehmer auf jeder Position feststellen, dass auch durchdringende Kälte und Nässe, das Erinnerungsvermögen beim „Seilgehampel“ nicht wirklich verbessert. Auch helfen hier alte oder zu dicke Reepschnüre den Teilnehmern wieder nicht richtig weiter. Mit einsetzendem Abendlicht dämmerte es uns dann allen: Hier hilft nur fleißiges Üben weiter!
Unverdrossen, bei weiterhin bestem Wetter, viel Sonne und kaum Wind, hatten wir uns für Samstag das Wilde Hinterbergl zum Ziel gesetzt. Zwischen uns und dem 3.228m hohen Gipfelklassiker stand nur noch 1140 Hm und der Berglasferner - am Planungsabend von unseren Trainer immer wieder mutsteigernd als „Menschenfresser“ bezeichnet.
Im Aufstieg war hier neben den gut eingeschneiten Verhältnissen vor allem festzustellen, dass eine 6er Seilschaft nicht zu den schnellsten Arten der Fortbewegung am Berg gehört. Selbst dann nicht, wenn das Tempo durch Schlappseil beim Fachübungsleiter unangepasst hoch gehalten wird. Auch wird der Gruppenzusammenhalt gefestigt, wenn leichtere Bergsteigerinnen zwischen gestandenen Skitourengehern - insbesondere bei Spitzkehren - fast zum Schweben gebracht werden.
In der Abfahrt über den Turmferner kann man zwar den Aperen Turm von der Rückseite sehen, muss aber dann durch eine etwas knifflige Rinne wieder runter ins Alpeiner Tal. Stolz auf den Verzicht auf eine Seilsicherung an dieser Geländekante, gelang es uns durch einen beherzten Schlussspurt im flachen Tal die Sonnenterasse so vor unserem Fachübungsleiter zu erreichen, dass uns eine weitere Trainingseinheit im Angesicht von gut gekühlten Genussmitteln erspart blieb.
Beschleunigt von einer markigen Ansage für einen frühen Aufbruch, nahmen wir dann am Sonntag die Turmbergscharte ins Visier - eine erneute Kombination von Skitouren auf Gletschern mit Kletterkünsten. Und so starteten wir wieder vollzählig und gut gelaunt nahezu als erste Gruppe Richtung Alpeiner Ferner. Noch nicht am Anstieg zur Wildgratscharte angekommen, wurden wir aber schon von dem einen oder anderen zähen Dynafit-Männchen überholt.
Nach dem Abzweig nach Westen hatte es sich dann auf rd. 2.800m in einem noch nächtlich hart gefroren, steileren Hang wieder mit der schönen Vollzähligkeit. Unter Einsatz seines vollen Systemgewichts gelang es Axel die Grenzen seiner in die Jahre gekommen Diamir-Bindung zu finden. Unter mehrfacher provisorischer Reparatur des Fersenbackens gelang es Bernie die materialtechnisch eingeschränkte Kleingruppe zu Hütte, Schnitzelstärkung und dann ins Tal zurück zu bringen.
Und so erreicht wiederum nur eine Rumpfmannschaft über einen Steilhang die Felsstufe in die Turmbergscharte. Nach einer flotten, englischen Zweierseilschaft, die wir noch passieren lassen mussten, jagte Torsten als bewährter „Fastforward“-Kletterer durch die Spalte, um der Gruppe ein Fix-Seil zu legen. Beim Durchsteigen der Scharte wurde den Teilnehmern klar, dass die Helme in solchen Situationen insbesondere dazu dienen, die Schläge der am Rucksack befestigten Skier auf den Kopf zu dämpfen. Mit Bravour erreichten wir somit zwar keinen Gipfel, aber mit 3.126m immerhin unser drittes 3.000er Ziel in 3 Tagen.
Wahrscheinlich war es dieser Übermut, der die Mehrzahl der Teilnehmer dazu veranlasste, statt der Besteigung des Vorderen Wilden Turm lieber die Übungsvariante „Fahren am Seil“ zu wählen. Die warnender Worte derer, die schon Erfahrung bei diesem Gesellschaftsspiel gesammelt hatten, wurden vogelwild in den Wind geschlagen und eine 4er Leidensgemeinschaft geknüpft. Flo wähnte sich mit gezückter Handy-Kamera talwärts leichtfertig in Sicherheit.
Gundula als leichte und gute Skifahrerin voraus, Torsten auf dem Splitbord zum Schluss, gelang mir bereits in der ersten Kurve ein veritabler Sturz. Im zweiten Bogen konnten wir das Ergebnis noch steigern und Hendrik als Seildritten so nachhaltig im Schnee versenken, dass er erstmal eine Auszeit brauchte. Jetzt schon fast eingespielt und nur noch zu dritt, brachten wir es als Nächstes fertig unseren filmenden Fachübungsleiter fast umzufahren. Angespornt durch die unmissverständlich vorgetragenen Wünsche von Flo konnten wir dann noch zwei fehlerfreie Bögen am Seil in den Schnee zittern und damit auch diese Übungseinheit erfolgreich abschließen.
Die Abfahrt zur Hütte wäre danach fast zum Genuss geworden – wenn da nicht wieder diese steile Rinne zu passieren gewesen wäre. Dank der klaren Nacht und unserem Frühstart war die zu passierende Stelle jetzt knochenhart gefroren – auch die Unbekümmertheit des Vortags war verflogen. Während Torsten als Erster noch sein Können und seine Systemvorteile mit dem Board souverän ausspielte, kämpfte ich mit meinen 1,80m Brettern schon an der Grenze meiner Kräfte. Die Performance der „Vorturner“ klug bewertend, entschlossen sich Gundula und Hendrik zur seilgesicherten Abfahrtsvariante. Als Letzter im Bunde konnte Flo dank dieser Geländestufe noch kurz demonstrieren, warum Steilwandfahrer in der Abfahrt oft gar nicht so lange brauchen.
Auf der Hütte haben wir uns dann von Gundula und Hendrik verabschiedet, die sich den Strapazen von stark gehopften Elektrolytgetränken und einer weiteren Urlaubswoche in den Bergen aussetzen mussten. Jetzt wieder mit dem vollständigen Material und einem weiteren Seil beladen, machten Torsten, Flo und ich uns an die Verfolgung des schon talwärts aufgebrochenen Zweierteams. Hierbei bleibt festzustellen, dass die Systemvorteile von Splitboards in flachen Tälern und aperen, teils schneelosen Hängen schnell schwinden.
Mit Mützen und Sonnenbrillen verkleidet, laut Reggae hörend, konnte uns selbst eine Stauumfahrung entlang der A8 nicht die Laune verhageln. Wir hatten jede Menge Spaß, 3.100 Hm in den Beinen und viel gelernt über Material und Menschen auf diesem unvergesslichen Skihochtourenkurs.
Bernhard